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Fritz VI – Lebensgeschichten

Der Wagen war nicht mehr aufzufinden und wir nahmen den Bus, eine wacklige Eierschale, tausendmal umsteigen, kurz vor München das letzte Mal, nur auszuhalten mit Flüssigproviant, mit der uns die Taufgesellschafft ordentlich eindeckte. Gewundert hat es mich nicht, dass wir den Anschluss verpassten und in dieser Saupampa schließlich übernachten mussten.

Fritz musste sich unbedingt Zigaretten kaufen, obwohl er auch sonst nicht rauchte. Aber diese Enge der Busfahrt habe ihn so wahnsinnig gemacht, dass er jetzt unbedingt paffen musste. Er rauchte nicht einmal richtig und als ich ihn darauf ansprach, sagte er nur: „Denkst du, ich bin bescheuert, Junge? Ich zieh mir doch nicht so einen Dreck in die Lungen!“ Und ich hörte seine Leber ironisch husten.

Wir setzten uns auf eine Bank und Fritz blies seine blauen Wolken in die Nacht, in der sich außer dem Nikotindunst nichts aber rein gar nichts rührte. Selten fuhr ein Auto vorbei, selten saßen darin normale Menschen, die normale Musik hörten. Aber es wäre vielleicht alles gut gewesen. Wir hätten diese laue Nacht auf dieser Bank zugebracht und in das Dunkel gestarrt, ab und an aus der Flasche getrunken. Irgendwann hätten wir uns unsere Lebensgeschichte erzählt, aber das hätte wohl einiges zerstört. Als ich noch meinen Job hatte und im Außendienst unterwegs war, haben sie mir ständig ihre Lebensgeschichten aufgedrückt. Ich glaube, für so etwas habe ich eine gewisse Aura. Mit all den Geschichten in meinem Kopf kann man nur anfangen zu saufen, aber lässt es schnell wieder bleiben – zumindest in der Öffentlichkeit – , weil es an den Tresen in den Eckkneipen dieser Welt nur so wimmelt vor Lebensgeschichten. Wahrscheinlich mochte ich Fritz genau deswegen, weil ich seine Geschichte nicht kannte.

Er hielt mir stumm die Pulle hin und drückte die Kippe mit seinem Schuh aus, dem einen, den er noch besaß, und ich musste lächeln, genoss die Ruhe und die Tatsache, einmal keinen Ärger zu haben. Bis dieser Typ in bayerischer Uniform vorbeitorkelte und sich bei Fritz sofort die Antennen ausfuhren.

Er gaffte ihm nach, wie eine Katze, die eine Maus erblickt hat. Er beobachtete ihn, wie er sich an einer Laterne umständlich festhielt und gegen den Wind urinierte, schließlich auf dem Rücksitz seines Ford Fiestas irgendetwas suchte und den Wagen unverschlossen zurückließ.

Etwas mulmig war mir schon, als Fritz sofort aufstand, ihm hinterherspionierte und schließlich einfach in den Wagen stieg. Aber noch mulmiger wurde mir, als ich sah, was er in dem Wagen fand.

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