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kurzgeschichten

Soundtrackstory II

Sie war wie eine Fata Morgana. Lieblich, schön; das, was das Herz wohl schmerzende Sehnsucht nennt. Aber war sie wirklich wahr? Nach jedem Blick fragte ich mich das. Sie hatte eine fiktive Aura, als wäre sie nie hier, nie wo anders, aber doch überall. Als sie ein Getränk bestellte, hörte ich ihre Stimme – und ich mochte diese Stimme –, doch konnte ich mich im nächsten Moment nicht mehr daran erinnern, wie sie geklungen hat. Ich denke sie war tief, etwas rauchig, vergleichbar mit dem Geschmack eines richtig guten Cognacs. Ihre Augen – wie ein schwarzes Loch. Sie sogen die Umgebung ein und schließlich war niemand mehr wirklich da, nur sie. Als würde die Welt um sie erstarren, als würde sie die Zeit anhalten und die Umgebung einfrieren, immer, wenn ihr danach war.

Sachte nahm sie eine Stufe nach der anderen, setzte mit ihren Ballen auf dem Untergrund auf und stieg hinauf zu einem abgelegenen Tisch, an dem zwei Männer in Anzügen saßen. Sie strich durch ihr Haar und einer der Anzüge setzte sich in Bewegung. Im nächsten Moment kam kein öliger Jazz mehr aus den Boxen. Der Anzug hatte für sie leise Pianoballaden aufgelegt.

Sie war nicht klein und schlaksig, wie die meisten Asiatinnen. Ihre Hüften waren etwas üppiger, die Brüste groß und in einer eleganten schwarzen Bluse verpackt, deren Knöpfe gerade so weit geschlossen waren, dass es nicht unzüchtig erschien, aber meiner Fantasie einen gewissen Spielraum bewahrte.

Ich konnte mich nicht konzentrieren, obwohl es ein sehr spannender Artikel war über einen Radfahrer, der von Deutschland aus die Welt umrundet hat. Ich las diesen einen Abschnitt bereits zum dritten Mal und gab schließlich auf, klappte das Magazin zu.

Sie wandte sich aus ihrem Mantel wie eine Schlange. Sie war wohl recht häufig hier, die Umgebung wirkte äußerst vertraut auf sie. Sie setzte sich an den Tresen, dem Barkeeper direkt gegenüber, bestellte einen Drink und piekste mit dem Zahnstocher kleine Löcher in ihre Olive, während sie den Stil des Glases zart umfasste. Natürlich merkte sie, dass der Barkeeper sie betrachtete, vielleicht gefiel es ihr sogar und sie setzte sich deswegen immer auf den Barhocker, der ihm direkt gegenüber war.

Ich dachte daran, ihr einen Drink auszugeben und schlenderte an die Bar. Mein Kommen schien sie nicht im geringsten zu beeindrucken. Auch schien sie meine Gedanken bereits gelesen zu haben, noch während ich mich auf den Barhocker neben sie setzte, denn sie tippte mit ihren langen, roten Nägeln gegen die Wand ihres Glases und sagte auf englisch: „Ich habe noch.“

Es war merkwürdig kalt am Tresen, was sie nicht zu stören schien, obwohl ihre Bluse kurze Ärmel hatte. Kalt war auch ihr Blick, während sie in ihren Drink  guckte und sich ihre Gedanken im Martini zu verlieren schienen.

„Wie kommt es, dass eine so schöne Frau wie Sie hier so alleine sitzt“, fragte ich schließlich und bereute die Frage sogleich, denn sie war keine dieser Frauen, der man so eine Frage stellt.

„Wie kommt es, dass Sie hier so alleine sitzen“, sagte sie, ohne auch nur ihren Blick aus ihrem Glas zu nehmen. Damit hatte ich nicht gerechnet und im ersten Moment wusste ich keine Antwort. Es war wohl der Cognac und das Sitzen an einer Bar, das bei Männern in der Regel den Drang auslöst, zu erzählen. Also erzählte ich. Ich erzählte vom verpatzten Essen, dass ich ohne Auftrag nach Deutschland zurückfliegen werde und dass ein Lächeln von ihr mir diesen Abend ein Stück weit erträglicher gemacht hätte und dass sie einen außerordentlich guten Musikgeschmack hat und ich ihr danke, für diese Musik.

Sie blickte immer noch in das Glas, als ich fertig war, jedoch huschte ein kleiner Hauch durch ihre Iris. Ich konnte nicht erkennen, ob es vielleicht der Anflug eines Lächelns, ein positiver Gedanke oder furchtbare Langeweile war. „Manchmal laufen die Dinge nicht so, wie man es gerne hätte“, sagte sie trocken. Ich verspürte den Drang sie zu fragen, ob ihr Tag vielleicht ebenso unerträglich war, wie meiner, doch sie redete einfach weiter, gestattete mir die Frage nicht: „Ich habe heute ein schlechte Nachricht bekommen. Diese Nachricht war von außerordentlicher Wichtigkeit für mich. Jetzt versuche ich darüber hinweg zu kommen.“ Sie sah mir nun direkt in die Augen. Es waren starke, aber doch traurige und vollkommen schwarze Augen. Sie holte eine Zigarette aus ihrer Handtasche, sog den Rauch genüsslich ein und prustet ihn aus. Ihre Ablehnung, die Art, wie sie an ihrer Zigarette zog, machte sie umwerfend; dieses kleine, blasse Gesicht, die dünnen, fransigen Lippen, die mit einem roten Lippenstift nachgezogen waren, obwohl diese Farbe ihr überhaupt nicht stand. Auch die Augen waren dunkel getuscht, an den Lidern so schwarz, als hätte sie mit einem Stück Kohle darüber gemalt. Wahrscheinlich dachte sie, das wäre westlich. Genau wie ihr Name – Kate. Sie sagte ihr Name sei Kate und ich dachte mir, das konnte unmöglich ihr Name sein.

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